Tech-M&A in 2020 zeigte ein durchmischtes Bild: Covid-19 bewirkte Höhenflüge und Einbrüche
Aktuelle Analysen des international tätigen, auf den Technologiesektor spezialisierten M&A-Beratungsunternehmens Hampleton Partners zeigen die unterschiedlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die M&A-Aktivitäten in den Sektoren Digital Commerce, Enterprise Software, IT- & Business Services, Autotech und Healthtech.
Digital Commerce: Sektor verzeichnete Dealrekorde und Ziele waren Plattformen, Marketplaces und E-Commerce-Software
Der Sektor „Digitaler Handel“ befand sich in einem erneuten Auftrieb. Nachdem er 2016 einen Spitzenwert bei den Transaktionsvolumina erreichte, wurden in der ersten Hälfte 2020 794 Transaktionen verzeichnet. Der gesamte Digital-Commerce-Sektor zeigte einen Anstieg des veröffentlichten Transaktionswerts von 61 Mrd. USD - der Median dieses Transaktionswerts lag in den letzten 30 Monaten bei 20 Mio. USD.
Der Coronavirus-Ausbruch fungierte wie ein Katalysator für die digitale Transformation. Dieser durch die Pandemie verursachte Fokus auf das Internet wird sich fortsetzen, da alle Akteure - auch die bislang eher weniger 'digitalen' wie Regierungen oder Schulen - weiterhin in digitale Alternativen investieren. Darüber hinaus profitierten viele E-Commerce- und Direct-to-Consumer-Marken von einem beispiellosen Geschäftsaufkommen.
Den deutlichsten Anstieg des Transaktionsvolumens verzeichnete das Segment „Internetdienste und Plattformlösungen“ mit einer Rekordzahl von 370 Transaktionen - also 47 Prozent des Gesamtvolumens der Transaktionen im Digital Commerce in der ersten Hälfte 2020. Im gleichen Teilsegment wuchsen und wachsen die Education-Tech-Plattformen sehr schnell. So stiegen zu dem Zeitpunkt als die WHO die Pandemie bestätigte, die Downloads von Bildungs-Apps weltweit um 90 Prozent im Vergleich zum Wochendurchschnitt im vierten Quartal des Vorjahres. Weitere Plattformen, die vom Trend profitierten, waren Zahlungsplattformen.
Die Prognose für Digital Commerce M&A schaut gut aus: Es ist davon auszugehen, dass Schlüsseltrends wie Social Media Commerce, Marketplacegeschäfte und mobiler Handel weiter an Dynamik gewinnen werden. Ebenso ist zu erwarten, dass die Unternehmen des digitalen Handels, das Ziel von Wachstumsinvestoren - ob Private Equity oder Venture-Capital-Firmen - sowie von strategischen Käufern sein werden. Denn generell werden sich alle Käufer mit weniger Investitionsalternativen auseinandersetzen müssen. Dies wird die Multiplikatoren hoch halten.
Enterprise Software: Aktuell ein eher regionaler Markt - Käufer zielten auf Technologie für Videokonferenzen, Lieferkettenlogistik und Gesundheitstechnik
Enterprise Software M&A blieb in der ersten Hälfte des Jahres 2020 stabil. Das Transaktionsvolumen entsprach dem der jüngsten Vergangenheit, während erste Anzeichen einer Abwärtskorrektur der Bewertungen bemerkt werden konnten. Das Transaktionsvolumen ging um fünf Prozent zurück. So wurden in der ersten Hälfte des Jahres 2020 602 Transaktionen verzeichnet, im Vergleich zu 631 in der zweiten Hälfte des Jahres 2019.
Hampleton Analysen zeigten einen offengelegten Transaktionswert von 34 Mrd. USD mit einer Handvoll Blockbuster-Deals im Milliarden- und neunstelligen Bereich. Darunter befand sich die Übernahme von Plaid durch Visa im Wert von 5,3 Mrd. USD und die Übernahme von Vlocity durch Salesforce im Wert von 1,3 Mrd. USD. Im Gegensatz zu früheren Quartalen wurden im zweiten Quartal 2020 61 Prozent der europäischen Ziele von europäischen Acquirern gekauft. Das zeigt, dass in 2020 mehr regionale Geschäfte abgeschlossen wurden.
Der M&A-Markt für Unternehmenssoftware wurde durch die Covid-19-Pandemie neu gestaltet. Sowohl Private Equity als auch strategische Käufer richteten ihr Augenmerk auf Unternehmen, die zur Verbesserung der Kommunikation, zur Rationalisierung von Prozessen oder zur Erleichterung von Remotearbeitsmöglichkeiten beitragen. Zudem wurde der Markt von Unternehmen befeuert, die den E-Commerce-Boom anheizen - darunter besonders auch Lieferkettenlogistik-Software, die für die Verbesserung des Last-Mile-Fulfillment entscheidend ist. Im 1H2020 dominierte außerdem Gesundheitstechnologie das vertikale Software-Segment. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens beschleunigte den Anstieg der Datenmengen. Mit diesem Anstieg benötigten die Akteure im Gesundheitswesen neue und verbesserte Tools aus den Bereichen künstliche Intelligenz (KI), maschinelles Lernen (ML) und prognostische und präskriptive Analysen. Die Zahl der KI-Ziele stieg exponentiell an, da die Early Mover und Pioniere dieses Bereichs reif für den Verkauf werden.
Mit Blick auf die Zukunft ist im Bereich Unternehmenssoftware mit robusten M&A-Aktivitäten zu rechnen. PE-Investoren und etablierte strategische Käufer ringen um ihre Führungsposition im neuen post-pandemischen Geschäftsumfeld.
IT & Business Services: Die rasche Verlagerung Richtung Online trieb in diesem Sektor M&A an – die meisten Transaktionen bei IT-Outsourcing-Dienstleistungen
Die Covid-19-Pandemie brachte diesen IT-Sektor trotz ihrer Auswirkungen auf die Transaktionsvolumina und -bewertungen an die vorderste Front der M&A-Aktivitäten. Lock-Down-Maßnahmen auf der ganzen Welt haben die Digitalisierung beschleunigt und den IT-Akteuren reichlich Gelegenheit geboten, durch die Digitalisierung von Produkten, Prozessen und Dienstleistungen zu glänzen. Gleichzeitig fielen die Bewertungen etwas niedriger aus und die Geschäftsabschlüsse waren stärker regional ausgerichtet - insbesondere im zweiten Quartal, da der globale Reiseverkehr beschränkt war.
In der ersten Hälfte des Jahres 2020 sank das Transaktionsvolumen auf 378 Deals, im Vergleich dazu waren es noch 416 Deals in der zweiten Hälfte des Vorjahres. Zusammen mit der Anzahl der Transaktionen sanken auch einige Bewertungsmultiplikatoren: Der 30-Monats-Median des EBITDA-Multiplikators fiel auf das 9x - der niedrigste seit vier Jahren - während der Umsatz-Multiplikator stabil bei 1,2x blieb.
Unternehmen aus dem Segment „IT-Outsourcing-Dienstleistungen“ erhielten weiterhin die höchsten Bewertungen - 9,7x hinsichtlich des 30-Monats-Median des EBITDA-Multiplikators. Auf das Segment Tech Services & Support entfielen hier 44 Prozent der Transaktionen – es ist damit das Größte im IT- & Business-Services-Sektor.
Autotech: Sektor litt schwer unter Covid-19 – Lichtblick ist der Internethandel
Autotech wurde stark von den Covid-19-Lockdowns, der wirtschaftlichen Rezession und einem Einbruch der Autoverkäufe in Europa und den USA getroffen. In diesem sonst sehr lebhaften M&A-Sektor verzeichnete Autotech in den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 im Vergleich zur zweiten Hälfte des Jahres 2019 einen 11-prozentigen Rückgang des Transaktionsvolumens und verbuchte nur vier Mrd. USD an offengelegten Transaktionswerten. Es gab dramatische Auswirkungen der Pandemie auf die Geschäftsabschlüsse im Automotivsektor in der ersten Hälfte 2020. OEMs und Zulieferer versuchten Probleme in der Suppy Chain zu lösen sowie mit der geringeren Nachfrage nach neuen Fahrzeugen fertig zu werden und wurden von M&A eher abgehalten.
Für Dealmaker in den Bereichen Logistik, Flottenmanagement und digitale Dienstleistungen gab es durch den weltweiten Anstieg des Internethandels jedoch auch gute Nachrichten. Die Bereiche Mobilität und Flottenmanagement verzeichneten einen leichten Anstieg des Geschäftsvolumens. Logistikunternehmen richteten ihre Fracht- und Transportmittel so aus, dass sie den Anstieg der Lieferungen bewältigen können, den die allgemeine Zunahme des E-Commerce während der Pandemie verursachte. So erwarb beispielsweise der Anbieter von Flottenmanagementsystemen Omnitracs mit VisTracks einen führenden Anbieter von SaaS-basierten Compliance-Lösungen für die Transport- und Logistikbranche.
Healthtech: Höhenflüge im Gesundheitswesen - Deal-Volumen steigt, Bewertungen sind immer noch auf Spitzenniveau
Der Gesundheitsnotstand und die Notwendigkeit der sozialen Distanzierung durch die Pandemie haben die Digitale Transformation vorangetrieben und die Implementierung und Einführung von Anwendungen im Gesundheitswesen, in der Telemedizin und bei webbasierten Ressourcen beschleunigt. Dies hat sowohl das M&A-Volumen als auch die Werte im gesamten Healthtech-Umfeld weiter vorangetrieben.
Das Transaktionsvolumen im Bereich Healthtech war im Aufstieg und hatte bereits 131 Transaktionen in der ersten Hälfte des Jahres 2020 verzeichnet. Dieser Aufwärtstrend hatte nach einem deutlichen Rückgang in den Jahren 2016 und 2017 wieder die Spitzenwerte von vor fünf Jahren gebracht. Die Bewertungen im Gesundheitssektor waren in den letzten fünf Jahren zum größten Teil hoch. In der ersten Hälfte des Jahres 2020 ging der Median des EV/S-Multiples der letzten 30 Monate leicht auf das 3fache zurück, nachdem im 2H2019 ein 4facher Höchststand erreicht worden war.
Trotz vorheriger Volatilität waren die EBITDA-Multiplikatoren immer noch sehr hoch. Sie erreichten in der ersten Hälfte des Jahres 2020 das 17,7-fache. Dieses Wachstum wurde insbesondere durch die hohen Bewertungen im Segment „Vertikale Software“ für das Gesundheitswesen vorangetrieben, in dem in der ersten Jahreshälfte 88 Deals getätigt wurden. Das entsprach einem Anstieg um 20 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
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Hampleton Partners veröffentlicht über das gesamte Jahr hinweg eine Vielzahl von M&A-Berichten über Branchen, Sektoren und Teilsektoren, die Trends und Analysen sowie Deal-Geografie zeigen. Diese Reports unterstützen Unternehmensinhaber, Verkäufer, Käufer und Investoren im Technologie-Sektor bei Bewertungen sowie bei der Planung eventueller eigener M&A- oder Investitions-Aktivitäten.
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